KLIMFASTEN (V): Ein anderer Lebensstil tut mir gut und hilft dem Klima

16. März 2021

 

Vorsatz: „Ich möchte einfaches Leben einüben, damit auch andere ein gutes Leben haben können, und für meine eigene Lebensqualität.“

 

Einfach leben? „Schreib doch über Diogenes in der Tonne!“, meinte scherzhaft eine Kollegin. Einfach leben wie Diogenes: In der Sonne sitzen, bei Regen und in der Nacht Schutz suchen in der Tonne – die Anekdoten über den griechischen Philosophen haben ihren Reiz. Bestehen unsere Träume vom einfachen nicht oft aus solchen Bildern?

 

Aber das wirkliche Leben ist nicht so einfach. Auch die technischen Errungenschaften haben daran wenig geändert, die ständig unser Leben vereinfachen: Die Dampfmaschine, die Waschmaschine, das eigene Auto, der Computer samt Internet… Und die globalen Folgen unseres Ressourcenverbrauchs werden immer dramatischer. Es geht nicht nur darum, was wir unseren Kindern und Enkeln als Erbe hinterlassen. Unser Lebensstil hat bereits jetzt tiefgreifende Schäden verursacht in „unserem gemeinsamen Lebenshaus“, wie Papst Franziskus in der Enzyklika „Laudato si“ unsere Welt nennt. Nicht nach uns die Sintflut, sondern „neben uns die Sintflut“ können wir mit Blick auf die Folgen des Klimawandels in Teilen der Welt sagen.

 

Vor 45 Jahren stand die Misereor-Fastenaktion unter dem Motto: „Anders leben, damit andere überleben“. Schon damals wurde unser Lebensstil in Verbindung gebracht mit den globalen Auswirkungen. „Jute statt Plastik“ war ein solcher Impuls. Was ist daraus geworden in den folgenden Jahren und Jahrzehnten? Auch unser Fleischkonsum wurde in den Blick genommen: Zur Erzeugung von 1 kg Rindfleisch werden 7 kg Getreide benötigt, die vielfach in ärmeren Ländern produziert werden. Heute sehen wir neben der weltweiten Ungerechtigkeit, die unser Verhalten bewirken kann, immer stärker auch die Folgen für das Klima.

 

Die Fakten liegen alle auf dem Tisch. Der Weltklimarat IPCC trägt die wissenschaftliche Forschung zusammen. Es besteht kein Zweifel: Unsere Welt steht kurz vor dem Abgrund. Alle wissen das. Trotzdem verbrauchen wir weiterhin mehr Ressourcen als uns zusteht und leben so auf Kosten anderer. Wir gehen oft den bequemeren Weg und denken nicht über negative Folgen nach oder ignorieren sie. Schlechtes Gewissen ist vielen ein regelmäßiger Begleiter.

 

2021 lautet das Motto von Misereor: „Es geht! Anders.“ Es gibt genügend Vorbilder auch für ein klimagerechteres Verhalten. Aber wie kommen wir zu einer neuen „Ökoroutine“? Auch ein Weg von 1000 Meilen beginnt mit dem ersten Schritt! Es gibt viele Beispiele, wie solche Schritte aussehen können: Öfter einen Spaziergang machen, anstatt das Auto zu benützen. Statt dem schnellen Griff nach der Plastikpackung der Einkauf im Unverpacktladen. Nicht den billigsten Kaffee wählen, sondern im Weltladen ein paar Cent mehr investieren für nachhaltig produzierten und fair gehandelten Kaffee. Ein defektes Gerät nicht einfach in die Tonne werfen, sondern sich Rat und Hilfe holen im Repair-Café. Manche nutzen die Fastenzeit für ihr eigenes Experiment „Sieben Wochen ohne“.

 

Ein Verzicht kann auch bereichern. Manche erleben durch die Einschränkungen der Corona-Pandemie, dass sie endlich Freiheit haben für Dinge, die sonst keinen Raum finden: Fahrrad fahren statt Auto, Arbeiten zu Hause, T-Shirts anziehen, die schon ein halbes Jahr alt sind… Für die „Postwachstumsökonomie“ empfiehlt der Wirtschaftswissenschaftler Niko Paëch, die eigene bezahlte Arbeitszeit zu reduzieren. Dafür kann man dann mit anderen zusammen wirtschaften und sich teilweise selbst versorgen, reparieren statt wegzuwerfen, mehr Zeit für ehrenamtliches Engagement für Nachbarn und das Gemeinwohl investieren. Ein anspruchsvolles Projekt für die Einzelnen und die Gesellschaft!

 

Solidarische Landwirtschaft ist ein Beispiel dafür, sich gemeinsam mit anderen auf den Weg zu machen: Der Verein SoLaVie bewirtschaftet Ackerflächen und verteilt die Ernteerträge unter den Anteilseignern. Es ist ein gemeinsamer finanzieller Einsatz, der je nach Möglichkeiten auch durch gemeinsame Arbeit auf dem Acker ergänzt wird. Nicht nur Umweltschutz und Geld spielen eine Rolle, sondern besonders das solidarische Tun. Ähnlich ist es beim Lebensgarten des Liebfrauenhofs in Fessenbach: Privatpersonen bewirtschaften das vom Kloster Unserer Lieben Frau zur Verfügung gestellte Gelände und verbinden dies mit Formen gemeinsamen Lebens und Nachdenkens über einfaches Leben und Achtsamkeit. Zu solchen Oasentagen sind alle eingeladen.

 

Liegt die Lösung der Probleme allein beim Einzelnen, der sein Verhalten ändern muss? Welche Rolle spielen dabei die Politik und die Industrie? Wenn beispielsweise ein führender Fleischproduzent auch mit vegetarischen Produkten auf den Markt geht, hat das große Wirkung, wird aber durch verändertes Konsumverhalten von vielen Einzelnen angestoßen. Unser Verhalten wird vielfach unbewusst durch „Normalitätsvorstellungen“ geprägt. Was als normal und gesellschaftlich wünschenswert gilt, kann sich im Lauf der Zeit ändern, wenn viele Einzelne „normale“ Verhaltensweisen ablegen. Ordnungspolitische Maßnahmen tragen zu einer neuen Ökoroutine bei. Beim Rauchen im Beisein von Kindern oder in der Öffentlichkeit hat das ja schon ein wenig geklappt! Auch die bei uns fast selbstverständliche Mülltrennung ist so ein Beispiel.

 

Auch die aktuelle Corona-Pandemie zeigt, wozu in der Not die Gesellschaft bei uns und weltweit in der Lage ist. Dabei sind sich viele Experten einig: Trotz der Gefährlichkeit des Coronavirus für Menschen und Wirtschaft ist die Bedrohung durch die Folgen des Klimawandels weit dramatischer – für Menschen und Wirtschaft.

 


Einfach machen!

Gemeinsam fällts leichter! In der Familie und im Bekanntenkreis spreche ich das Thema „Einfach leben“ an, diskutiere unterschiedliche Facetten dieser Problematik und suche Verbündete, um persönliche oder gemeinschaftliche Projekte anzugehen.

 

Gewusst?

Verhaltensänderung ist möglich. In einer psychologischen Studie des University College London wurde festgestellt, dass es durchschnittlich 65 Tage braucht, bis aus anfänglichem Üben ein stabiles verändertes Verhalten wird. Dafür sind die 40 Tage der kirchlichen „Fastenzeit“ nicht ganz ausreichend. Aber: „Auch ein Weg von 1000 Meilen beginnt mit dem ersten Schritt“.