KLIMAFASTEN (V): Hiro Schneedecker wirbt für die Nutzung von Bahn, Bus und Fahrrad / Viel Verbesserungsbedarf

6. April 2019

 

Um mobil zu sein, sollten wir nur im Ausnahmefall auf ein Auto angewiesen sein, das ist die Hoffnung von Hiro Schneedecker, 19 Jahre alt. Sie war bis letzten Sommer Schülerin am Biotechnologischen Gymnasium in Offenburg, und engagiert sich bei der BUNDjugend. Claudia Roloff, Leiterin der Evangelischen Erwachsenenbildung in der Ortenau, hat sie zu ihren Überzeugungen befragt. Das Interview gehört zur Aktion Klimafasten, zu der die Evangelische Kirche in Baden aufgerufen hat. In Offenburg stellt die Klimaschutzmanagerin Bernadette Kurte gemeinsam mit dem BUND-Umweltzentrum Ortenau, der Evangelischen Erwachsenenbildung Ortenau und dem katholischen Bildungszentrum Offenburg während der (Klima-)Fastenzeit jede Woche junge Menschen im Offenblatt vor, die sich zum Thema der Woche äußern.

 


Hiro, in was für einer Welt möchtest du leben, wenn du 35 bist?

Hiro Schneedecker: Es ist jeder und jedem möglich, sich in nachhaltiger Weise fortzubewegen. Dazu ist der Öffentliche Nahverkehr ausgebaut worden, Zug- und Buslinien erreichen alle Orte und der Takt ist verkürzt worden. Auch kleinere Dörfer werden jede halbe Stunde angefahren. Für Menschen, die es sich nicht leisten können, ist der ÖPNV kostenlos, also für Sozialhilfeempfänger*innen, Schüler*innen, Alleinerziehende, Rentner*innen. Für die anderen ist es günstig, mit Bus und Bahn zu fahren. Bis ich 35 bin, sind die Bahn-Strecken auch im Nahverkehr elektrifiziert worden. Unser aller Lebensqualität ist in einer Welt mit weniger Autos wesentlich höher: bedeutend weniger Lärm, weniger Luftverschmutzung, mehr Raum zum Leben, geringere Klimaerwärmung. Schau mal hier auf die Straße: der viele Asphalt könnte in Grünflächen umgewandelt werden, auf denen Menschen sich begegnen und miteinander feiern können, natürlich könnte man diese Flächen auch bebauen und Wohnraum schaffen oder soziale Einrichtungen. In der Welt, die ich mir wünsche haben die Menschen den Platz zurückgewonnen, den heute die Autos beanspruchen. Die Städte sind dann nicht mehr autofreundlich, sondern menschenfreundlich.

 

Wie siehst du die Chancen, dass das so kommen wird?

Hiro Schneedecker: In der Ortenau erlebe ich die Entwicklung im Moment eher problematisch. Die Ortenau ist einer der reichsten Landkreise in Baden-Württemberg, aber die ÖPNV-Anbindung ist vergleichsweise schlecht. Die Ortenau-S-Bahn fährt bisher nicht immer stündlich.  Besonders bedenklich ist es in den Orten, die nicht an der Bahnlinie liegen. Das Land Baden-Württemberg empfiehlt, dass alle Ortschaften von 5 bis 24 Uhr mindestens stündlich angefahren werden. Davon würde auch die Stadt Offenburg profitieren, denn die Leute wollen ja vom Land in die Stadt kommen. Weil es keine Busse gibt, müssen sie bisher noch das Auto nehmen. Besonders blöd ist es für Schüler*innen, weil die Stundenpläne nicht zu den Fahrplänen passen. Die Ortschaften, die durch die DB-Regio angebunden sind, sind da schon besser gestellt. Und wenn man in Offenburg wohnt, kann man gut vom ICE-Bahnhof und dem Fernverkehr profitieren.

Bei den Wahlen müssten alle auf diese Themen achten. Auf Landesebene hat sich schon einiges zum Positiven verändert, zum Beispiel mit dem BW-Einfach-Tarif. Indem wir alle den ÖPNV intensiv nutzen, setzen wir ein Signal dafür, dass er weiterentwickelt werden soll.

 

Welche Tipps hast du denn persönlich in Bezug auf die Mobilität der Einzelnen?

Hiro Schneedecker: Lasst das Auto stehen und nehmt das Rad, oder probiert den Bus einfach mal aus! Für ältere Menschen ist es gut, mit dem Busfahren vertraut zu sein, damit sie auch mit Handicaps mobil bleiben können. Ich selbst reise viel in Europa mit dem Zug. In den südlichen Ländern ist das Zugfahren sehr günstig. Ich komme grade aus Kroatien, wo ich gut herumfahren konnte. Auch in Spanien bin ich gut rumgekommen, vor allem im Urlaub, wenn es nicht so genau auf den Fahrplan ankommt. Außerdem haben diese Länder ein gutes und günstiges Bussystem, man muss es nur kennenlernen. Der Europa-Sparpreis der Bahn ist auch oft ganz günstig. Anders als beim Fliegen hat das Zug-Reisen an sich eine Qualität: man fährt direkt durch die Landschaft und Städte und trifft die Menschen, die dort wohnen. Außerdem habe ich ein Gefühl dafür, welche Strecke ich zurücklege und wo ich mich gerade befinde. Im Ortenaukreis sind übrigens die Tagestickets ziemlich günstig. Auch die Verbindung im Fanta5-Verbund erlaubt es, bis nach Basel zu reisen, das ist klasse. Besonders toll wäre ein Fanta6-Verbund zu dem auch Karlsruhe gehören würde.